Abfüllung in feuchte Fässer

Wie Paxarette und Wet Casks die Whiskywelt verändern

Heute habe ich für Sie einen sehr kritischen Newsletter. Wir werden die Reifung von Malt Whisky in nassen Sherryfässern, den so genannten wet casks, hinterfragen. Wenn Sie nun von uns wissen wollen, welche aktuellen Whiskys aus wet casks stammen, so muss ich Sie leider enttäuschen. Wir wissen es nicht. Die Hersteller halten sich noch sehr bedeckt mit diesen Aussagen.

Doch lassen Sie mich nicht vorgreifen. Blicken wir erst einmal zurück in die 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Noch heute schwärmen die Genießer von den tollen Abfüllungen aus den uralten spanischen Solera-Fässern. Die Argumentationskette hinter den besonders weich und fruchtig reifenden Fässern lautete: Während des Soleraverfahrens, beim dem Eichenholzfässer Jahrzehnte für die Reifung unterschiedlicher Weine verwendet werden, dringt der Sherry über die Jahrzehnte besonders tief in die Poren des Fasses ein und sorgt so für ein besonders starkes Sherryaroma in den später darin reifenden Whiskys.

Doch diese Argumentation trifft nicht den Kern der Sache. Sherry reift in Eichenholzfässern, um das Aroma des Eichenholzes aufzunehmen. Es ist die Barrique-Reifung, die mehr und mehr bei Rot- und Weißweinen von den Genießern weltweit gefordert wird. Mehr als ein oder zwei Jahre vertragen jedoch die wenigsten Weine, weil sonst die Tannine der Eichen dominant gegenüber dem Wein werden. Und genauso, wie bei der Whiskyreifung ein mehrfach befülltes Fass immer weniger Aroma abgibt, so ziehen auch die Sherrys während der Solerareifung die Holzaromen aus der Fasswand, bis nach ein paar Jahrzehnten nichts mehr übrig bleibt. Die Fässer sind reifetechnisch nahezu tot.

Und als diese Fässer nach Schottland kamen, waren die Whiskys daraus besonders gut? Wie soll das funktionieren? Warum gibt es denn heute diese Solerafässer in der Whiskyindustrie nicht mehr? Ganz einfach. Auch die Spanier wissen um die Kraft des Holzes und verwenden die Fässer nur noch wenige Jahre, während derer sie zusätzliches Aroma in signifikanter Menge an den Sherry abgeben können. Dann gehen sie nach Schottland, weil der hochprozentige Alkohol des Rohwhiskys die letzten Aromen auch noch herausziehen kann. Dass gleichzeitig die fruchtigen und mitunter süßen Sherryaromen in den Whisky gelangen, ist ein willkommener Nebeneffekt. Doch die Poren des Holzes verändern sich nicht. Nach 30 Jahren Sherrylagerung in einem Eichenfass sind die Holzporen auch nicht voller mit Sherry, als nach einem oder zwei Jahren. So lange dauert heute eine typische Eichenfassreifung von Sherry.

Ein ganz anderer Einfluss kam früher in den spanischen Sherryfässern zum Tragen. Die Fässer mussten in Schottland wieder aufgearbeitet werden, weil sie wegen der hohen Frachtkosten platzsparend zerlegt transportiert wurden. Beim Zusammenbau der Fässer wurde während der Dichtigkeitsprüfung mit Pressluft Paxarette in die Poren der Fässer gepresst. Paxarette oder Pajarete ist ein durch Einkochen eingedickter Traubensaft, meist aus stark süßen und fruchtigen Pedro Ximenez Trauben. Er wird original in Spanien auch heute noch zum Abschmecken von Sherrys vor der Abfüllung verwendet. Das Einkochen erfolgt im Verhältnis 1:5 und einem für Whisky gedachten Sherrybutt wurde typisch 1 Liter zugesetzt. Rechnet man das auf die 500 Liter eines Sherryfasses um, so entspricht dies etwa 1% Sherryaroma im Whisky. Da man die Paxarette-Aufarbeitung damals nicht an die große Glocke hing, hielten die Genießer die alten Solerafässer für besonders gut.

Ende der 80er wurde Paxarette in der schottischen Whiskyindustrie verboten und mehr und mehr jüngere, unverbrauchte Eichenholzfässer aus Spanien kamen zum Einsatz. Dabei trat eine Besonderheit auf, die Sie mit dem vorher Gesagten bereits erahnen können. Vorbei war es mit dem überschwänglich fruchtig-süßen Sherryaroma des Paxarettes. Die Fässer enthielten ja nur noch ein Fünftel des Aromas des jetzt frischen Sherrys und zusätzlich noch eine heftige, würzige Eichenholzfracht der nun deutlich jüngeren Sherryfässer. Sherryfasswhiskys wurden merklich kräftiger und würziger, was dem Mainstream der Whiskyliebhaber nicht wirklich gefiel. Eine neue Lösung musste her, um die Geschmacksknospen der Whiskygenießer nicht zu überfordern.

Eine Lösung bot sich gleich in Spanien an. Da sich wegen der rapide steigenden Lohnkosten die Herstellung von Fässern aus der besonders würzigen europäischen Eiche weniger und weniger lohnte, stellte man sukzessiv auf Sherryfässer aus der milderen, weicheren amerikanischen Weißeiche um. Das half nicht nur, in Spanien Kosten einzusparen. Auch die schottischen Whiskyhersteller freuten sich um die milderen Fässer, deren Eigenschaften sie aus ihrer eigenen Ex-Bourbonfass-Reifung bereits kannten. Heute spricht die Branche davon, dass über die Hälfte der spanischen Sherryfässer aus amerikanischer Weißeiche hergestellt werden.

Doch nicht alle Hersteller in Schottland waren damit zufrieden. Man entwickelte auch das Konzept der Nachreifung. Bei einer Nachreifung wird schwach gereifter Whisky aus bereits mehrfach zur Reifung von Whisky verwendeten Fässern noch einmal für kurze Zeit in frische Sherryfässer umgefüllt. Dabei ist die Holzart des zur Nachreifung verwendeten Fasses 'fast' egal. Der Whisky nimmt in der kurzen Zeit aus dem Fass vor allem den Sherry auf, der sich leicht löslich in den Poren des Eichenholzes befindet. Würzige und mitunter bittere Aromen der europäischen Eiche gelangen damit nur zu einem kleinen Teil in den Whisky. Nach den ersten Erfahrungen in der Nachreifung wurde dieses Verfahren mittlerweile zum Quasi-Standard in der schottischen Whiskyindustrie. Die nachgereiften Whiskys werden mittlerweile stark nachgefragt. Um einen besonders starken Sherrygeschmack zu erzielen, werden heute die frisch in Spanien entleerten Fässern, die sogenannten wet casks, binnen zwei Tagen nach Schottland zur Wiederbefüllung transportiert. Lägen die Fässer Wochen oder gar Monate unbefüllt, würde sich das Sherryaroma langsam aber sicher verflüchtigen.

Geschmack und Beliebtheit dieser nachgereiften Whiskys ähnelt den oben beschriebenen Paxarette-Fässern aus den 80ern. Man hat damit den langfristigen Geschmack der Kunden getroffen. Doch was passiert im frischen Sherryfass, wenn man einmal nachgereift hat? Der Sherry ist aus den Poren fast gänzlich verschwunden und diese Refillfässer geben so gut wie nur noch Eichenaroma ab. Und das ist nun alles andere als süß und fruchtig.

Die Lösung dieses Problems ist so logisch wie bestechend. Kein Gesetz der Welt verbietet es den schottischen Whiskyfirmen, erneut Sherry in diese Fässer zu füllen. Und nun folgt, was wirtschaftlich folgen muss. Man schickt die Fässer nicht erneut nach Spanien, sondern holt den Sherry nach Schottland. Auf den ersten Blick erscheint dies unlogisch, weil der Sherry im Fass ja schwerer als das Fass ist. Logisch wird diese Entscheidung erst, wenn man den Sherry mehrfach für die 'Wiederaktivierung' von Nachreifungsfässern verwendet. Und wie lange muss man nun den Sherry in diese Fässer füllen, um ein gutes Nachreifungsergebnis zu erzielen? Sicherlich nicht zu kurz, damit ausreichend Sherryaroma in die Fasswände eindringen kann. Dazu sollte das Fass zuvor ordentlich vom Whisky austrocknen können. Um so mehr Sherry wird sich nachher in der Fasswand finden. Und so entstehen auch direkt in Schottland wet casks, die feuchter nicht sein können.

Soweit ist alles noch konform mit dem Gesetz. Es gibt aber eine Grauzone. Wenn man den Sherry aus den Fässern wieder ablaufen lässt stellt sich die Frage, wie wet (also feucht) diese wet casks nun noch sein sollen. Lässt man sie eine Viertelstunde austropfen oder nimmt man sich bewusst sehr wenig Zeit, damit noch ein ordentlicher 'Schluck' in den nassen Fässern übrig bleibt?

Hier beginnt die Grauzone, die wohl möglich von dem einen oder anderen Abfüller überschritten wird. Aber hier beginnt auch der Bereich der Vermutungen. Dem Verfasser dieser Zeilen ist die neue Art der frischen Sherryfüllung in Schottland bereits länger bekannt. Wer dies jedoch im Speziellen regelmäßig macht und wer sich damit zurück hält, ist dem Verfasser dieser Zeilen genauso unbekannt, wie die Restmenge, die die Abfüller bewusst in den Fässern zurücklassen.